Monumentale Klänge im Kirchenraum

Visino-Chor brilliert mit Haydns Oratorium „Die Jahreszeiten“

Eggenfelden. Ein monumentales Konzert erlebten die Besucher der Klosterkirche mit der brillanten Aufführung des Oratoriums „Die Jahreszeiten“ von Joseph Haydn, dargeboten von einem exzellenten Chor mit einem beachtenswerten musikalischen Niveau: dem Visino-Chor.

Vor bereits sieben Jahren übernahm Thomas Scherbel eine gut geschulte Chorgemeinschaft und legte auch großen Wert auf die laufende sorgfältige künstlerische Arbeit mit den nicht oder nur wenig vorgebildeten Laiensängern. Diesen Chor zeichnet seit Jahren ein hohes Können aus.

Dem entsprach auch die Einstudierung des Haydn-Oratoriums in dem zu Ende gehenden Gedenkjahr an den vor 200 Jahren verstorbenen großen Komponisten. Einen besonderen Beitrag zum Erfolg der Aufführung leisteten auch die Solisten: Burkhard Mayer (Bass) als Bauer Simon, Bettina Baumgartner-Geltl (Sopran) als seine Tochter Hanna und Thomas Helm (Tenor) als Jungbauer Lukas. Die Sänger wurden wie bei früheren Aufführungen hervorragend vom Kammerorchester Dieter Sauter aus Pfaffenhofen begleitet. Gut integriert wurden auch zusätzliche Bläser und ein Schlagzeuger aus München.

Das Oratorium beginnt mit dem Frühling. Der Charakter des Werkes ist eine für sein Entstehungsjahr sehr frühe Form der Programmmusik, so wie zum Beispiel der Übergang vom Winter zum Frühling mit Sturm und Schneegestöber symbolisiert wird, bis die Solisten und anschließend der Chor freudig den Lenz verkünden. Anmutig werden von Simon mit warmen baritonalen Tönen die Arbeiten auf dem Feld geschildert. Hanna und Lukas stimmen ein frohes Lied an und der Chor schließt diesen Abschnitt sehr gut interpretiert mit einer machtvollen Dankeshymne an den „ewigen, mächtigen, gütigen Gott“ ab.

Der Sommer ist der musikalisch schönste Abschnitt mit der sinfonisch besten Gliederung. Lieblich und harmonisch schildert das Solistenterzett mit Unterstützung des Chors den Sonnenaufgang. Drastisch beklagt Lukas in einer sehr dramatischen Kavatine die Gluthitze der Mittagssonne. Mit innigem Gesang vermittelt am Nachmittag Hanna ihre tiefen Empfindungen bei einer Szene im Wald.

Zu einer leider nur kurz dauernden Gewittermusik gestaltete der Chor den Ablauf dieses Naturereignisses mit einer überwältigenden Klangfülle. Der Abend des Sommertages klingt dann in wunderbarer Ruhe aus. Dem Dirigenten gelang es prächtig, diese vielfältigen Klangmöglichkeiten aus der Partitur herauszuarbeiten.
Der Herbst zeigt ein sehr uneinheitliches Gemälde. Grandios sprechen Solisten und Chor ihren Erntedank aus. Das folgende Liebesduett wurde von Hanna und Lukas besonders schön gesungen. Schon fast im Stile der Romantik lobt Simon Felder und Wiesen.

Doch dann ändert sich schlagartig der Charakter des Werkes. Die knalligen Tonfarben beim Auftritt der Jäger und die zum Teil sehr derben Texte beim Fest der Winzer wirken im Oratoriumsgefüge etwas befremdlich. Nicht zuletzt soll aber diese vom übrigen Werk sich stark abhebende Musik plastisch die Lebensfreude und vor allem die zu jener Zeit kraftstrotzende Lebensfülle verströmen lassen.
Traurig zieht der Winter ein, zuerst von Hanna, dann von Lukas besungen. Seine Arie mit ihrem interessanten Text und Aufbau, sogar mit einigen Koloraturen verziert, war aufgrund der einfühlsamen Interpretation durch den Tenor einer der schönsten Momente der Aufführung. Ein entzückender Chor in der Spinnstube und das lustige Lied der Hanna, dessen feinen Humor die Sopranistin exzellent vermitteln konnte, lockerte den Ablauf wieder auf.

Doch dann schließt das Oratorium mit voller sinfonischer Entfaltung. Einprägsame Worte über die Tugend läuten feierlich das prunkvolle Anrufen und Preisen des Herrn für sein irdisches Werk ein. Noch einmal wird der Chor zu höchsten Leistungen am Ende eines langen Konzertes herausgefordert.

Wirkungsvoll füllten Sänger und Orchester den großen Klangraum der Kirche aus, ein besonderes Musikerlebnis, das die Zuhörer verstehen ließ, warum Haydn gerade mit diesem Werk einen enormen Anstieg seiner Popularität weit über Eisenstadt und Schloss Esterhazy hinaus verzeichnen konnte.

Erich Schön
Rottaler Anzeiger vom 26. November 2009