Chor und Auditorium im Freudentaumel

Visino-Chor wagt sich an Beethovens 9. Sinfonie
Erlesener Kunstgenuss in der Klosterkirche

Eggenfelden. Ein außergewöhnliches Konzert konnten die Freunde der klassischen Musik mit der Aufführung der „Symphonie N.9 in d-moll“ von Ludwig van Beethoven erleben. Im ungewöhnlichen Rahmen einer Klosterkirche mit ihrem akustischen Vorteil einer ausgeglichenen Klangfülle war das bedeutendste Werk des großen Komponisten zu hören, das oft als der krönende Abschluss seines sinfonischen Gesamtwerkes bezeichnet wird.

Aus der vielfältigen Dramatik des reinen Orchesterteils entfaltet sich ein Schlusssatz mit einem Vokalteil, der berühmten Ode „An die Freude“ von Friedrich Schiller, gesungen vom großen Chor-Ensemble mit Solisten.

Zu Gast in Eggenfelden war die von Thomas Mandl geleitete Bad Reichenhaller Philharmonie. Dirigent war Thomas Scherbel. Das Vokalfinale bestritt dar Visino-Chor, der sich mit dem Regensburger Chor „Cantabile“ vereinigte. Die Solo-Parts übernahmen Miriam Deannese Clark (Sopran), Rita Kapfhammer (Alt), Frieder Lang (Tenor) und Nikolaus Meer (Bass).

Alle Grundgedanken der Sinfonien – das Heroische, Schicksalhafte und Lebensbejahende – sind in der „Neunten“ vereinigt. Nach einer mystischen Einleitung steigerte dar Dirigent mit einem kräftigen Crescendo den ersten Satz zu einem machtvollen Hauptthema, welches das Orchester mit hervorragend akzentuierten Passagen ausspielte, die den Kampf gegen drohende Schicksalsmächte symbolisierten.

Auch den zweiten Satz beherrscht die gleiche dämonisch erregte Stimmung, zuerst geheimnisvoll, dann wild aufbrausend. Im Mittelteil erklangen liebliche pastorale Töne, die Scherbel sehr gut als Gegensatz detailbetont mit den einzelnen Instrumentengruppen zelebrierte.

In eine völlig andere Welt entführt der dritte Satz. Ruhig und träumerisch schwelgte das Orchester in Wohllaut und Glück, gerade zu ein Hymnus des Glaubens an das Edle und Schöne. Dabei fielen vor allem die schöne Stimmführung der Violinen auf und die weiche Bläserbegleitung.

Der vierte Satz setzt mit einem wilden Ausbruch in Fortissimo ein. Ganz besonders beeindruckend war dann der allmähliche Aufbau der Melodie „Freude schöner Götterfunken“, mit der am ausgeprägtesten die tiefen Streichinstrumente in einer makellosen Bogenführung die Freudenstimmung einleiteten, die zum Schlusschor führte.

Diese fast volkstümliche Melodie zeigte schon am Anfang ihre erhabene Wirkung. In steter Steigerung wird dieses Hauptthema des Finales durch alle Instrumentengruppen geleitet, bis der Bass mit fester Stimme die Führung ergreift. Er trägt das Freuden-Lied vor, in das dann der Chor und danach das Solistenquartett jubelnd einstimmten. Eine weitere Variante mit ungestümer Steigerung bot der stimmgewaltige Tenor mit Unterstützung des Männerchores.
Der Höhepunkt des Chor-Finales sind die hinreißenden Worte „Seid umschlungen, Millionen“. Sehr präzise setzten unisono die Männerstimmen ein, jauchzend folgten die Frauenstimmen. In vollem Jubel erklang eine grandiose Doppelfuge. Mit ruhigerem Gesang entrückten die Solisten noch einmal die Zuhörer in eine sphärische Stimmung, bevor der Satz in höchster Ekstase in einem enthusiastischen Taumel der Freude abschloss.

Die Leistung des Visino-Chores bei diesem hohen Schwierigkeitsgrad mit oft voller Lautstärke bei zum Teil extrem hohen Tönen war hervorragend. Solisten und Orchester unterstützten tatkräftig die sehr gut disponierten Chorsänger.

Mit grandiosem Beifall dankten die ergriffenen Zuhörer den Künstlern für den Genuss.

Erich Schön
Rottaler Anzeiger vom 3. Februar 2010