Bezaubernder Gesang in lauer Nacht nach einem hellen Tag

Visino-Chor füllt bei Sommerkonzert zweimal den Weinhof Forster & Miller am Stadtplatz – Musik aus den unterschiedlichsten Epochen

Musikalische Veranstaltungen im idyllischen Ambiente des Weinhauses Forster & Miller haben schon eine lange Tradition. An einem der warmen Sommerabende, die uns der Wettergott heuer in reichem Maße beschert, sitzt man gerne noch lange nach Sonnenuntergang gemütlich beisammen, um sich zu unterhalten, ein gutes Glas Wein zu trinken und bezaubernde Musik zu hören.

Diese Gelegenheit bot der Visino-Chor mit seinem von Chorleiter Thomas Scherbel zur Stimmung passend gestalteten Konzert „An hellen Tagen“, das die Zuhörer in seinen Bann zog.

Garniert wurde dieses Menü aus Liedern der unterschiedlichsten Zeitepochen noch mit einer humoristischen Moderation durch Richard Eder, die den vollen Applaus des Publikums verdiente. Mit witzigen eigenen Worten und mehreren prägnanten Zitaten aus dem satirischen Gedichtband „Ein Mensch“ von Eugen Roth führte er das Publikum nicht nur durch das musikalische Programm, sondern ergänzte es durch einen exzellent gesprochenen Vortrag.

Die Auswahl der A-capella-Lieder erstreckte sich vom 16. Jahrhundert bis in die Neuzeit. Nach einem kurzen Eingangschor mit dem Leitmotiv „An hellen Tagen“ von Giovanni Gastoldi, der als Meister des Kontrapunktes in die Musikliteratur einging, folgte das bekannte Landsknecht-Ständchen des weit gereisten Vielschreibers Orlando di Lasso.

Mit einem besonders gepflegten Gesang wartete der Chor bei den sakralartigen Ansätzen des Liedes „Liquide perle Amor“ von Luca Marenzio auf, einem vorwiegend auf Madrigale spezialisierten Tondichter.

Nicht die bekannte moderne russische Komposition „Der Floh“ war zu hören, sondern ein ebenso sehr originelles Stück, das schon im 16. Jahrhundert Erasmus Widmann schrieb über die „Annehmlichkeiten“, die ein Floh verursacht. Danach schilderte Eder Abwehrmittel gegen Flöhe, die wohl nur den ungepflegten Zuhörer belustigen können.

Auch „Der Kuckuck auf dem Zaune saß“ von Johann Stephani verlangte dem Chor eine sehr präzise Artikulation und eine exakt eingehaltene Rhythmik ab.

Einen wunderschönen, schwungvollen Einstieg in die Romantik bot „Auf dem See“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy nach einem Text von Goethe. Etwas traurig, aber stimmungsvoll erklang das Sommerlied von Robert Schuhmann. Auch Johannes Brahms verließ gelegentlich sein unvergleichliches sinfonisches Schaffen und verfasste die liebliche Weise „Dein Herzlein mild“. Die Vielseitigkeit von Max Reger überrascht immer wieder, so mit den volkstümlichen, fröhlichen Liedern „Gruß“ und „Mai-Lied“.

Damit erreichte das Programm das Genre Volkslied. Besser als ein sehr flüssig vorgetragenes Lied aus Kroatien gefiel das schwedische Volkslied „Och jungfru hon gar i ringen“, dem der bekannte Komponist Hugo Alfán eine Chorfassung gab. Bei dem sowohl schwedischen wie deutschen Übersetzungstext sang der Chor mit glasklarem Ausdruck, wobei vor allem die schönen Einsätze der Männer auffielen. Dieses entzückende Lied mit seiner wirkungsvollen Darbietung war ein Höhepunkt des Abends.

In der Moderne angekommen, folgte „Steh auf Nordwind“ von Harald Genzmer. Hugo Distlers „Vorspruch“ litt unter einer nicht ganz sauberen Intonation. Begeistern konnte natürlich ein ungarisches Zigeunerlied von Zoltán Kodály mit der beachtenswerten Leistung beim Gesang in dieser schwierigen Sprache und das auch noch bei einem rasanten Vortragstempo.

Bei dem Jazzlied „All of me“ wirkte der Chor etwas überfordert. Der ansonsten vielseitig geschulte Chor hatte bei diesem Musikgenre Probleme, durch entsprechende Klangfärbungen den notwendigen Sound aufzubauen, nicht zuletzt auch bedingt durch das ungleiche Frauen-/Männer- Stimmen-Verhältnis. Besser gelang eine typische Wiedergabe bei dem Song „Nothing gonna chance my love“.

Das gefällige Abendständchen von Johannes Brahms beschloss einfühlsam den bezaubernden Konzertabend und viele Besucher verließen erst viel später diesen idyllischen Veranstaltungsort im Herzen der Stadt.

Erich Schön
Rottaler Anzeiger vom 18. Juli 2006