Atemberaubende Spontaneität

„Händel meets Gospel“: Konzert der Klazz-Brothers mit dem Visino-Chor begeistert im vollbesetzten Theater

Das Jazztrio „Klazz-Brothers“ mit seinem herausragenden Pianisten Bruno Böhmer-Camacho, Bassist Kilian Forster und Schlagzeuger Tim Hahn begeisterte zusammen mit dem Visino-Chor Eggenfelden beim Crossover-Konzert „Händel meets Gospel“.

Eggenfelden. Mehr und mehr scheint sich Eggenfelden zum Geheimtipp für Jazzmusik zu entwickeln. Nachdem im letzten Jahr das weltberühmte Glenn Miller-Orchestra ein fulminantes Konzert im Theater an der Rott ablieferte, gelang Selbiges an gleicher Stele den Klazz-Brothers in einer Co-Produktion mit dem Visinochor, verstärkt durch einige Mitglieder des Theaterchores.

Verbindung von Jazz und Klassik

„Händel meets Gospel“ – so lautete das Konzertmotto und es verriet schon einiges über die Grundkonzeption, verschiedene Musikstile miteinander zu verweben. Die Klazz-Brothers – ein Trio mit Klavier, Kontrabass und Schlagzeug – sind auf diesem Weg mittlerweile weltweit anerkannte Spezialisten und haben es sich zur Aufgabe gemacht, Jazz und „klassische“ Musik miteinander zu verbinden. „Klazz“ steht nicht nur für die Wandlung klassischer Werke in Jazz-Versionen, sondern auch für die Bereicherung des Jazz mit klassischen Stilelementen.

Den Auftakt zum Konzert bildete Carl Orffs „O Fortuna“ aus seiner „Carmina Burana“ und sollte daran erinnern, dass vor einiger Zeit dieses Großwerk vom Visino-Chor dargeboten wurde. Die drei Musiker des Jazztrios zeigten hierbei schon ihre Visitenkarte: größtmögliche Spontaneität, sofortiges Reagieren auf Impulse eines Musikers aus der Gruppe, nonverbale Verständigung per Blickkontakt mit sofortiger musikalischer Umsetzung.

Auch die anschließende Transformation von Mozarts berühmter „Facile“-Klaviersonate in ein Jazzgewand entzückte sehr, blieben doch die Motive sehr deutlich erkennbar, erschienen jedoch in völlig anderer musikalischer und rhythmischer Sprache. Ähnliches erreichte das Trio mit Beethovens „Freude schöner Götterfunken“ – ein düsterer und langsamer Beginn in Moll entwickelte sich mehr und mehr zu freudestrahlender Dur-Melodie, alles immer wieder verpackt in Jazzharmonik und fetzigen Rhythmen.

Der Visino-Chor trat zu mehreren gemeinsamen Projekten an. „Tochter Zion“ von Händel machte den Anfang. Der klassische Kantionalsatz wurde anfangs vom Jazztrio stilistisch unterstützt, mit steigender Anzahl an Strophen änderte sich mehr und mehr die Tonsprache, so dass man zum Schluss fast eine instrumental-vokale Gospelversion hören konnte.

Faszinierend war dabei die Unaufgeregtheit in der Abstimmung zwischen Chor und Jazztrio – trotz nur einer gemeinsamen Probe entstand keine große Anspannung in Bezug auf den weiteren Verlauf eines Stückes, alles war spontan und locker und die extreme Souveränität der Klazz-Brothers gab dem Chor zusätzliche Sicherheit, selbst wenn man noch nicht genau wusste, wann der nächste Einstieg zu einer Strophe stattfinden sollte und wie lange genau die Jazz-Improvisation diesmal dauern würde.

Auch mit Solostücken trat der Chor auf, insbesondere der um 1920 entstandene Gospel „This little light of mine“ wusste zu gefallen. Die kleinen „little“-Einwürfe der Damen umrahmten wunderbar die von Männern vorgetragene Hauptstimme und Chorleiter Stefan Metz sorgte mit präzisem Dirigat für die notwendige rhythmische Präzision.

Bei weiteren Stücken bewies der 26-jährige Bruno Böhmer-Camacho, deutsch-kolumbianischer Pianist des Trios und mittlerweile einer der wichtigsten lateinamerikanischen Musiker in Deutschland, seine schier atemberaubende Fingerfertigkeit und seine große Improvisationslust in genialem Zusammenspiel mit Schlagzeuger Tim Hahn und Bassist sowie Moderator des Abends, Kilian Forster. Dieser bot eine sagenhafte Performance auf dem Kontrabass – teilweise spielte er Melodieteile mit dem Bogen in klassisch-sanglicher Art und Weise, meistens spielte er einen lupenreinen Jazzbass mit vielen Oktavsprüngen, präziser Rhythmik und erinnerte dabei an den legendären Jazz-Bassisten Niels-Henning Orsted Petersen mit seiner einzigartigen Technik.

Trio bereits für Grammy nominiert

Unumstrittener Höhepunkt des Konzerts war „Joshua fit the battle of Jericho“, bei dem der Chor bis an seine Leistungsgrenzen gehen musste und besonders die Tenöre in schwindelerregenden Höhen aufsteigen mussten. Im Zusammenspiel mit stilistisch fantastischen „Einwürfen“ des Jazztrios entwickelte sich ein faszinierendes Gesamtarrangement, das von großem Schwung und Esprit gekennzeichnet war. Weitere musikalische Stationen waren ein Czardas, der berühmte „Säbeltanz“, die Spirituals „Whitness“ und „Little David“ und abschließend nochmals ein barockes Juwel – „La Rejouissance“ aus der Feuerwerksmusik von G. F. Händel.

Alles in allem erlebten die rund 350 Zuhörer nicht nur ein außergewöhnliches, sondern auch ein musikalisch höchst interessantes Konzert, bei dem jeder stolz sein durfte, herausragende Musiker wie die Klazz-Brothers, die schon zwei Mal mit dem Echo-Klassik und dem Jazz Award ausgezeichnet sowie einmal für den Grammy nominiert wurden, live erleben zu können.

Markus Asböck
Rottaler Anzeiger vom 23. September 2013